Zeit für sich gilt uns als Inbegriff von Lebensqualität. Zeit für unsere Hobbies, Familie, Freunde, Zeit zum Faulenzen und Nichtstun. Doch kannst du dir als Selbstständiger noch Zeit für dich nehmen? Und wie kann das laufen?
Falsch verstandene Freiheit
Wir machen uns aus den verschiedenen Gründen selbstständig. Wir haben tolle Ideen, Träume, Visionen, keine Lust mehr auf unseren festen Job. Wir wollen unser eigenes Ding und wir wollen mehr Freiheit.
Doch Freiheit ist nicht gleich Freiheit…
Deine Freiheit als Selbstständiger bedeutet nun einmal auch, dass du deine Miete, Krankenversicherung, Altersvorsorge und was weiß ich alleine abstotterst. Dazu musst du erstmal das Geld verdienen.
Dazu wiederum musst du arbeiten. Wir gehen jetzt davon aus, dass du kein Millionenerbe hast 😉
Du bist darin frei, dir deine Arbeitszeiten selbst einzuteilen, vielleicht sogar von einem beliebigen Ort der Welt aus zu arbeiten. Du musst bei niemandem um Urlaub bitten, du kannst ihn dir einfach nehmen.
Du kannst die Freiheit genießen, dich nach deinem Biorhythmus zu richten und wenn du Lust hast, auch nachts um zwei noch arbeiten.
Das alles klingt super und nur positiv, stimmts?
Die Kehrseite der Medaille: Manchmal musst du so viel arbeiten, dass du bis nachts um zwei arbeiten musst. Dann heißt es am Wochenende nicht „hoch die Hände, Wochenende!“, sondern früh aufstehen und weiter arbeiten.
Was, es ist Samstag? Davon merke ich persönlich nicht immer was. (Dafür kann sich ein stinknormaler Mittwoch wie ein Sonntag anfühlen – ein Gefühl, das ich gegen nichts in der Welt tauschen will!)
Diesen Text schreibe ich übrigens direkt nach meinem Urlaub. Ja, ich musste niemanden um Urlaub bitten.
Aber ich musste meinen Urlaub ziemlich genau planen: Vorher mussten Texte geschrieben, Content gemanagt und social media Profile upgedatet werden. Damit ich mir 5 Tage OHNE e-Mails leisten konnte, musste ich meinen Kunden und Kollegen rechtzeitig Bescheid geben und viel Vorarbeit leisten.
Von der Nacharbeit mit liegen gebliebenen Mails, unbeantworteten Kommentaren und so weiter will ich gar nicht erst anfangen.
Worauf ich hinaus will: Die Freiheit, die du als Selbstständiger genießen kannst, darfst du nicht falsch verstehen.
Jede Menge Arbeit
Stell dich stattdessen erst einmal auf mehr Arbeit ein. Gerade zu Beginn. In den ersten Jahren.
Weil ich noch in den ersten Jahren bin, kann ich nur darauf zählen, dass meine Arbeit an der Verselbstständigung einiger Prozesse sich irgendwann auszahlt und meine Routinen sich eingespielt haben. Bist du schon über die ersten Jahre hinaus? Dann lass mich wissen, wie es bei dir läuft!
Aber zurück zur Realität: Ich habe viel Arbeit.
Auch bevor mein Kind da war, hatte ich mehr Arbeit als zu Zeiten meines festen Jobs. Nur irgendwie hab ich das gar nicht bemerkt. Weil ich die Arbeit auf einmal richtig gerne gemacht habe und vor allem: FREIWEILLIG!
Weil ich es so wollte, nicht, weil mich ein Vertrag gebunden hat. Oder Bürozeiten.
Ich liebe es, mir frei zu nehmen, wenn ich Lust habe. Auch wenn das nicht immer vernünftig ist.
Der Arbeit versuche ich, durch gute Organisation zu begegnen. Viele Strategien probiere ich aus, viele verwerfe ich wieder. Mein absoluter Klassiker sind meine fixen Bürozeiten.
Ehrlich, bevor ich die hatte, war ich Freiwild: Da klingelt das Telefon, da muss ich mich um Mamas Handwerker kümmern, da kommt nur ganz kurz spontan eine Freundin, dann noch dies und das und am Ende des Arbeitstages hatte ich alles gemacht, nur nicht gearbeitet. DAS war übel. Seit ich meine Bürozeiten kommuniziere und nein sagen gelernt habe, läuft auch das. Auch der Umgang mit Stress fällt mir leicht.
Für mich bedeutet das also: Mehr Arbeit, aber sie fühlt sich nicht wie Arbeit an.
Wo bleibt die Freizeit?
Jetzt habe ich nur von Nachteilen und Arbeit gesprochen, wo bleibt da die Freizeit?
Ehrlich, das frag ich mich auch manchmal 😉
Eine wöchentliche Stunde Freizeit habe ich bewusst in meinen Bürozeitenplan integriert, genauso wie einen freien gemeinsamen Tag die Woche.
Mal abgesehen vom Urlaub weiß ich nicht, wann ich das letzte Mal meine Stunde Freizeit im Café verbracht hab. Auch das Planen von gemeinsamen Familientagen läuft eher schleppend, weil dann doch einer ne Deadline hat oder neue Aufgaben.
Ich denke, ich muss “Freizeit” für mich einfach nur neu definieren. Jetzt ist Freizeit die Zeit, die ich mit meinem Kleinkind verbringe. Vielleicht erinnerst du dich, ich hatte schon einmal erwähnt, dass mein Nicht-mehr-Baby nicht in die Krippe geht, sondern wir uns dank Homeoffice mit der Kinder- und Arbeitszeit abwechseln.
So gesehen habe ich also täglich Freizeit. Und wir verbringen immer eine gute Zeit: Wir gehen spazieren, pflegen unseren Garten, schwimmen eine Runde, putzen die Wohnung oder hängen Wäsche auf. Mal abgesehen davon: Wer wünscht sich nicht, die Kindheit seines Kindes hautnah zu erleben und dabei zu sein?
Das ist meine „Zeit für mich“. So gesehen hatte ich noch nie mehr Freizeit als jetzt 😛
Wie läuft das bei dir – mit Kind, ohne Kind?
Hallo Anne,
ich finde auch, dass Zeit für sich selber unheimlich wichtig ist, gerade wenn man selbstständig ist. Sonst läuft man Gefahr überhaupt nicht mehr abschalten zu können und dann schnell überarbeitet zu sein, weil man praktisch nie frei hat. Ich arbeite deshalb auch überwiegend zu festen Zeiten und habe mir zwei Tage in der Woche ausgesucht, an denen ich „frei“ habe. Diese Tage habe ich auch meinen Kunden kommuniziert, damit ich da wirklich abschalten kann. 🙂
LG Johanna