Arbeit und Werte – ein Paar wie Blitz und Donner? Carrie Bradshaw und Mister Big? Romeo und Julia? Muss beides zusammen passen oder kannst du deine Arbeit und deine Werte trennen?

Die letzte Serie, die ich wirklich im Akkord schauen konnte und ungeduldig von Woche zu Woche erwartete, war How to get away with murder. Staranwältin Keating bringt jungen, unerfahrenen Jurastudenten bei, wie sie ihre Klienten vor Gericht rausboxen können – obwohl diese schuldig sind. Die Anwältin verhindert also bewusst, dass ein Mörder seine Strafe bekommt.

Natürlich haben viele der MörderInnen edle Gründe. Die Transsexuelle beispielsweise erschlug ihren Mann, weil sie die jahrzehntelangen physischen und psychischen Misshandlungen nicht mehr ertragen konnte. Doch selbst wenn keine dieser edlen Gründe vorliegen, kämpft die Anwältin um einen Freispruch. Dafür ist ihr dann auch gerne jedes Mittel recht.

Als ich einmal überlegte, Jura zu studieren (haha, ja, die Zeit gab es tatsächlich!!!), habe ich mich aus genau deshalb dagegen entschieden: Was, wenn ich Mörder, Vergewaltiger, Pädophile verteidigen müsste? Das könnte ich nicht mit mir vereinbaren. Doch andere können es offensichtlich, denn es gibt sie ja, diese Anwälte, nicht nur im Fernsehen.

arbeit und werte

Was sind meine Werte überhaupt?

Eines war auf jeden Fall klar: Ich könnte nicht meinen Teil dazu beitragen, dass Unrecht ungestraft bleibt.

Andere Dinge, die mir wichtig sind, ordnete ich eher der Ecke Privat- statt Berufsleben zu. Dazu gehören Toleranz und Offenheit. Denn ehrlich, was interessiert es mich im Beruf, welcher Partei mein Auftraggeber anhängt oder ob er am Sonntag in die Kirche geht oder am Freitag in die Moschee?

Dann gibt es die Dinge, die ich in die Kategorie „zu schön, um wahr zu sein“ steckte. Dass ich meine Freiheit schätze. Freie Zeiteinteilung, die Möglichkeit zu reisen. Unabhängigkeit und Eigenverantwortung. Ich war davon überzeugt, dass das halt im Erwachsenenleben so nicht läuft. Dass Erwachsensein nunmal bedeutet, ein Arbeitsverhältnis zu haben. Festgelegte Urlaubstage und Arbeitszeiten.

Man muss schließlich von was leben. Und: Damals an der Uni strebten ja alle einen festen Job an. So erschien mir das als vorgegebens Ziel. Nichts, dem ich mich widersetzen konnte.

Kurz vorm Examen versuchte ich übrigens, eine gute Freundin von der Gründung einer gemeinsamen Eventagentur zu überzeugen. Ging schief, sie wollte nicht und ist heute extrem glücklich in ihrem festen Job. Ich hingegen hab ne ganze Weile bereut, mich alleine einfach nicht getraut zu haben… Tief drinnen wusste ich also schon ne ganze Weile, dass dieses „feste Job“-Ding einfach nicht mein Ding ist.

Andere Werte schienen mir hingegen leicht auf der Arbeit zu verwirklichen. Ich wollte viel Umgang mit verschiedenen Leuten, nichts Langweiliges, immer etwas Abwechslung und mit etwas intellektuellem Anspruch. Ich wollte nicht nur am Schreibtisch sitzen.

Also wurde ich Lehrerin. Und fand ziemlich schnell heraus, was mir wirklich wichtig ist…

Womit fühle ich mich (nicht) wohl?

Allerdings musste ich das eher auf die harte Tour lernen.

Meine ersten Berufsjahre hatte ich aber erstmal richtiges Glück. Angenehme Arbeitsatmosphäre, nette Kollegen, die Jahre im Ausland. Wäre ich keine Lehrerin gewesen, hätte ich niemals diese wundervollen zwei Jahre in Thailand erleben können.

Und dort stimmte es beruflich: Ich hatte Umgang mit den verschiedensten Leuten, hatte ausreichend Abwechslung, konnte meine Planung kreativ gestalten. Die Atmosphäre, die Kollegen und die Kinder waren super. Und die Ferienzeiten!!! Ich reiste so viel, dass ich mich in meiner Freiheit null eingeschränkt fühlte.

Dann ging es zurück nach Deutschland und mein Job dort war eine Katastrophe. Auf einmal fand ich heraus, was ich gar nicht ertrug.

Dazu gehörten dann erstmal persönliche Dinge wie Neid und Anfeindungen im Kollegium. Ich finde, beruflich muss man immer höflich und freundlich bleiben. Auf einmal steckte ich in einem Umfeld, in dem es voll okay war, mit seinen persönlichen Animositäten zu hausieren. Nee, echt, geht gar nicht. Und ich zitiere jetzt mal meine Mutter: „Man muss beim Arbeiten mit jedem auskommen!“

Nun war ich mit meiner freundlichen, offenen Einstellung der bunte Hund. Deshalb hatte ich richtige Probleme auf der Arbeit. Von dem, was zuhause in meinem Kopf passierte, ganz zu schweigen.

arbeit und werte

Dann gab es da noch etwas Anderes, das mir zu diesem Zeitpunkt völlig neu war. Ich kam mit den Rahmenbedingungen überhaupt nicht klar.

In dem Bundesland, in dem ich arbeitete, wurden Noten nur nach bizzaren Berechnungen erstellt und mussten bis auf die letzte Kommastelle überprüfbar sein. Bis dato hatte ich im Bereich des „pädagogischen Ermessens“ gearbeitet. Das bedeutet, wenn jemand auf 2,5 stand, aber immer fleißig war, konnte ich ihm eine 2 geben. Wenn er nie Hausaufgaben machte, war es halt eine drei. Das konnte man erklären und diese Erklärung wurde akzeptiert. Nun sollte es nur noch nach Kommastellen gehen? Wo blieb dann das Menschliche? Wieso sollte ich einem faulen Stück die bessere Note geben, nur wegen der siebten Stelle hinterm Komma?

Es passte also nicht mehr – innen wie außen. Dazu kam das nagende Gefühl, dass ich doch eigentlich schon vor Jahren was ganz Anderes wollte. Ich entschied mich also, beruflich in eine komplett andere Richtung zu gehen und mich selbstständig zu machen.

Müssen deine Arbeit und deine Werte zusammen passen?

Das, was mir nicht wichtig war, gab ich gerne auf: Einen sicheren Job auf Lebenszeit. Andere hingegen würden dafür töten…

Dafür bekam ich, was mir wichtig war: Freiheit.

Ich teile mir meine Zeit selbst ein. Da genieße ich den Luxus, dass ich an einem Wochentag vormittags auf den Markt schlendern kann oder auch die Tatsache, dass ich dann in Urlaub fahren kann, wenn mir danach ist.

Freiheit bringt auch Nachteile mit sich. Und Selbstständigkeit ist nie immer nur einfach. Ich liebe meine Eigenverantwortung, aber wenn man mit Grippe im Bett liegt, ist es nicht mehr toll, zu wissen, dass du deshalb gerade kein Geld verdienen kannst.

Statt allerdings täglich im Trubel unter Menschen zu arbeiten, arbeite ich viel im Homeoffice – etwas, das ich mir zwar früher nie vorstellen konnte, das aber jetzt perfekt passt, gerade mit Kind.

Mir tut es definitiv gut, dass meine Werte und meine Arbeit zeinander ergänzen. So muss ich mich nicht verbiegen – das tut guuuuut!Deshalb denke ich, dass es definitv zu deinem generellen Wohlbefinden beiträgt, wenn deine Arbeit und deine Werte zusammen passen!

Durch die Blogparade zum Motto #schautiefer von Susanne Dahl bin ich überhaupt auf diese Frage gestoßen. Ich hab mir ne ganze Weile Gedanken dazu gemacht – wie stehst du zu dem Thema? Passen deine Werte und deine Arbeit zusammen?

Kategorien: Selbstständig

  • Susanne Dahl sagt:

    Liebe Anne,

    da hast du im wahrsten Sinne des Wortes eine spannende Reise hinter dir, vom Ausland ins Inland, von der Angestellten zur Selbständigen. Ich kann es aus eigener Erfahrung nachvollziehen wie es ist, wenn man aufgrund der Herzensethik bewusst den herausfordernden Lebensweg wählt.

    Die Frage ist was besser ist, oberflächliche Werte auf leichte Art leben oder mit jeder Faser für aufrichtige Werte einstehen, und ich glaube eindeutig an letzteres. In meinen Augen wird der Diamant, der in uns steckt, durch unsere Herausforderungen zum höchsten Glanz geschliffen, und das ist jeden Preis wert. So sehe ich es auch mit meiner Arbeit, in der ich immer dem Weg der Werte gefolgt bin.

    Ich freue mich, dass du mit deinem Beitrag auch noch Teil der Blogparade geworden bist!

    Ganz liebe Grüße
    Susanne

    • Anne sagt:

      Hallo Susanne!
      Danke für deine lieben Worte! Ich finde die Blogparade mit ihren Beiträgen echt interessant! Danke für diese tolle Idee!
      LG Anne

  • […] Dieser Artikel ist ein tiefer Anstoß darüber nachzudenken, was wir billigend in Kauf nehmen und wofür wir einstehen.  [Zum Artikel] […]

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