Räubersachen vermietet ökologische Kinder- und Babykleidung. Schon eine Weile bin ich privat Kunde bei der Räuberbande. Ein Post auf Instagram hat mich neugierig gemacht und ich habe die Räuberbande angeschrieben und um ein Interview gebeten.

Lisa war so freundlich, sich Zeit für meine Fragen zu nehmen.

Räubersachen Unternehmen

Foto von Marcia Friese (https://marciafriese.de/) für Räubersachen

Das sind Räubersachen

Fangen wir mal an. Vielleicht kennst du Räubersachen noch nicht, deshalb hier erstmal ein paar Fakten:

Räubersachen wurde 2015 gegründet. Wie viele Mitarbeiter habt ihr mittlerweile?

Wir haben im Moment 16 festangestellte Mitarbeiter(-innen) und sieben Freie.

Auf welchen Grundsätzen ist das Unternehmen aufgebaut?

Uns ist wichtig, dass das was wir tun, Sinn macht. Es geht darum, Kreisläufe zu schaffen, die Ressourcen schonen und den überflüssigen Konsum eindämmen. Wir reparieren unsere Kleidung und sorgen so für eine möglichst lange Nutzungsdauer.

Sind soziale Unternehmen eurer Meinung nach die Wirtschaftsform der Zukunft?

Ja, ich denke die Zukunft sind Unternehmen, die nicht auf Profit ausgerichtet sind, sondern auf positiven Impact für Gesellschaft und Umwelt.

Im Moment wirtschaften wir unsere Erde herunter, damit einige wenige sich bereichern können an Bedürfnissen, die wir glauben zu haben. Wenn wir aber mal wirklich in uns hineinhören, merken wir, wie wenig es eigentlich benötigt um ein gutes Leben zu führen.

Wir sind eine Purpose-GmbH, das heißt die Firma gehört sich selbst. Es gibt keine Gewinnausschüttung und man muss mitarbeiten, um entscheiden zu dürfen.

Ich denke auch dieses Modell wird in Zukunft mehr an Bedeutung gewinnen.

Könnt ihr euch auch andere Branchen vorstellen, in denen das Konzept von Räubersachen funktionieren könnte?

Ja, das geht sicher auch in vielen anderen Branchen. Wichtig ist, dass es einen Mehrwert hat.

Unternehmerisches

Auch ein soziales, nachhaltiges Unternehmen ist ein Unternehmen. Deshalb unterliegt es – wie wir alle – ständigen Veränderungen.

Lies selbst, mit was für Veränderungen Räubersachen konfrontiert wurde.

Gerade haben euch zwei Geschäftsführer verlassen. Wie kam es dazu? Werdet ihr diese Posten neu besetzen (müssen)?

Wir werden die Posten nicht neu besetzen. Eher wollen wir die Geschäftsführerrolle umdefinieren, so dass sie an Bedeutung verliert.

Es gibt leider noch keine Rechtsform, die das gut abbildet. Aber es gibt einige Wege, wie man sich intern strukturieren kann, damit die Verantwortung nicht auf den Schultern von einigen wenigen liegt. Daran arbeiten wir unter anderem gerade mit unserer AG New Work zusammen mit einer Coachin.

Ihr arbeitet an einer Umstrukturierung Richtung Selbstorganisation – was muss ich mir darunter vorstellen? Seid ihr nicht schon selbstorganisiert?

Wir entwickeln uns immer mehr dorthin, aber die Strukturen bilden das noch nicht klar ab. Wie eben schon beschrieben geht es darum, die Verantwortung mehr zu verteilen. Bis vor kurzem haben die Geschäftsführer noch sehr viel entschieden, das ist gerade im Umbruch, aber es ist wie so vieles ein langer Prozess.

Unternehmensentwicklung, immer ein Schrittchen weiter, immer mehr dahin, was man eigentlich möchte – auf diesem Weg ist Räubersachen. Und schlägt eine außergewöhnliche Richtung ein:

Ihr arbeitet gerade an der Entwicklung des Unternehmens, bemüht euch um mehr Strategie. Welche Schritte habt ihr neben den WILIMU (Was ist los in meinem Unternehmen?)-Treffen eingeleitet? Spürt ihr bereits erste Ergebnisse der WILIMU-Treffen?

Das Wilimu findet einmal im Monat statt und hilft uns, im Austausch zu bleiben und transparent zu sein.

Wir reden immer über den aktuellen Stand unserer Finanzen und über aktuelle Projekte, die anstehen oder erfolgreich abgeschlossen wurden.

Neu eingeführt haben wir auch eine Wertschätzungsrunde und eine Rubrik namens Fehler des Monats. Ersteres entstand dadurch, dass wir gemerkt haben, dass wir viel zu selten wertschätzen, was gut läuft und was wir alles geschafft haben.

Es gibt nun sogar einen festen Aufgabenbereich der Wertschätzungsministerin. Sie backt Kuchen, wenn jemand Geburtstag hat und lobt beim Wilimu, wenn jemand etwas erreicht hat.

Beim Fehler des Monats geht es vor allem darum, zu zeigen, dass wir alle Fehler machen und dass wir daraus viel lernen können.

Wertschätzen klingt toll – habt ihr auch noch andere Minister?

Einen Nachhaltigkeitsminister, der sich in Zukunft mehr um die Nachhaltigkeit im Unternehmen und um Projekte mit Externen im Bereich Nachhaltigkeit kümmern soll.

Wie bzw. könnt ihr schon einen Effekt der Wertschätz- und Fehler des Monats-Runde feststellen?

Ich denke schon dass es dazu führt, dass es uns leichter fällt, über unsere Fehler zu reden und zu lachen. Es nimmt auch ein wenig den Druck und wir lernen, Lob anzunehmen. Das ist ja durchaus schwierig, weil wir es meistens nicht gewohnt sind.

Copyright Räubersachen

Ein typisches Paket.
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Finanz-Basics bei der Räuberbande

Doch, wie oben angekündigt, soll es in diesem Interview um Geld gehen.

Ein bisschen auch um die Fragen: Wie lege ich ein Gehalt fest? Meins, aber auch das meiner Mitarbeiter? Welche Möglichkeiten habe ich überhaupt?

Interessiert sich jeder Mitarbeiter für Finanzen?

Nein, nicht alle auf die gleiche Weise. Aber da es schon eine Grundlage für unser Tun ist, dass sich das alles rechnet und wir unsere Löhne zahlen können, ist es für jeden relevant.

Hattet ihr durch diesen Grundsatz schon Probleme, z.B. bei der Personalgewinnung?

Nein, durch den Grundsatz nicht, nur durch den insgesamt niedrigen Lohn bei uns. Nicht jeder ist bereit, für sowenig Geld zu arbeiten, was ich auch durchaus verstehen kann. Es ist eine große Herausforderung, aber es bereichert auch total.

Das klingt nach wenig Geld. Kann sich ein Mitarbeiter Räubersachen überhaupt leisten?

Das kommt auf den Lebensstandard und die Umstände an. Ich selbst bin im Moment noch auf staatliche Hilfen angewiesen. Aber es wird sich hoffentlich bald etwas entspannen, da wir eine Lohnerhöhung planen.

Gibt es Boni bei guten Finanzen?

Nein. Aber es wird wie gesagt bald eine Lohnerhöhung geben.

Welche Vorteile bringt dieser Grundsatz – empfinden dadurch vielleicht alle mehr Verantwortung und Zugehörigkeit zum Unternehmen?

Die Bereitschaft, für Mindestlohn zu arbeiten ist höher, wenn man weiß, dass alle anderen auch nicht mehr bekommen. Und ja, ich denke man fühlt sich dadurch gleichwertiger. Es gibt keine Unterscheidung in Arbeiter und Denker z.B., zumindest nicht durch das Gehalt. In den Köpfen spielt diese Unterteilung aber immer mal wieder eine Rolle, und zwar in beide Richtungen. Das ist sehr spannend und auch nicht so einfach zu überwinden.

Habt ihr ein Beispiel für die Aussage, dass die Unterscheidung Arbeiter-Denker in den Köpfen ist? Finde ich ja total spannend…

Naja, es ist manchmal schwer zu verstehen, was der jeweils andere den ganzen Tag tut. Wenn ich im Büro sitze wissen die Wäsche-Frauen oft nicht, was ich da eigentlich so mache bzw. empfinden das als eine weniger anstrengende Arbeit. Umgekehrt kann es auch mal vorkommen, dass jemand der den ganzen Tag mit dem Kopf arbeitet sich nach einer vermeintlich einfacheren Aufgabe sehnt, bei der man z.B. einen Haufen Wäsche abarbeitet.

159 Euro

Ausgangspunkt meines Interviews war besagter Instagram-Post. Ihr könnt die Geschichte auch auf dem Räubersachen-Blog nachlesen.

Ein Mitglied der Räuberbande bekannte vor kurzem, dass ihr 100-200 Euro zum Leben fehlen. Alle haben anonym zusammengelegt und es kamen 159 Euro zusammen, die für die nächsten drei Monate zugesagt wurden.

Andere, die genau so viel verdienten wie die Mitarbeiterin, die unzufrieden mit ihrem Lohn war, geben einfach so von ihrem Gehalt ab. Damit eine mehr hat.

Meine Reaktionen? Eher gemischt. Heftig, in beide Richtungen: Von Wahnsinn, dass diese Kollegen so selbstlos und hilfsbereit sind! Zu Was maßt sich nur diese eine Räuberin an, einfach mehr zu nehmen, so dass die anderen weniger haben?

Ich war gerührt und gleichzeitig hat mein Gerechtigkeitssinn rebelliert.

Umso bemerkenswerter, was Lisa dazu sagt:

Wir haben für 6 Monate zusammengelegt. Dann ist sowieso eine Lohnerhöhung geplant. Es wird bald darüber nochmal einen Austausch geben. Denn es geht uns dabei auch darum, auszuprobieren, wie sich das anfühlt. Generell haben wir noch das ein oder andere Geldexperiment vor, um auszutesten. Es ist einfach spannend auch mal den ernsten und existenziellen Aspekt des Geldes beiseite zu lassen und das ganze spielerisch zu betrachten. Denn eigentlich ist es ja nur bedrucktes Papier.

Was für Experimente schweben euch vor?

Da gibt es so viele Möglichkeiten, wir schauen mal, wo es uns hinzieht. Im Moment planen wir z.B., Geld an andere Projekte zu verschenken, die sich mit ihrer Idee dann dafür bei uns bewerben können.

Auch intern könnte es z.B. mal ein Meeting geben, bei dem jeder eine bestimmte Summe mitbringt, die dann dort live neu verteilt wird unter den Anwesenden.

Was ist genug? Wenn alle abgeben, damit einer mehr hat, ist das dann noch fair?

Es ist auch nur bedingt gerecht, wenn alle das Gleiche verdienen, denn jeder hat andere Lebensumstände. Der eine hat einen Partner, der gut verdient, der andere sorgt alleine für sich und zwei Kinder.

Wenn wir finanziell mehr Spielraum haben, wollen wir da auf jeden Fall noch weiterdenken.

Ich finde es total spannend, dass fast alle bereit sind, etwas zu geben, obwohl sie selbst nicht viel haben. Und es ist total spannend, was man dann alles so fühlt.

Natürlich soll die Gabe bedingungslos sein. Ob der andere sich von dem Geld ein Auto kauft oder sein Kind ernährt, sollte nicht bewertet werden. Jeder hat seinen Lebensstandard und wir wollen uns nicht mehr aufopfern, was ein Zurückschrauben des Lebensstandards ja auf jeden Fall wäre.

Wow.

Kann man eine solche Höhe überhaupt festlegen – ausgehend auch von dem, was das Unternehmen leisten kann?

Das wird sich zeigen. Im Moment können wir uns ein Mehr nicht leisten, aber so kann es auch nicht bleiben. Es gibt da ja verschiedene Modelle, z.B. ein Basisgehalt für alle und dann nach verschiedenen Kriterien noch einen Zusatz (z.B. pro Kind). Das darf immer in Bewegung bleiben und ausgetestet werden.

Copyright Räubersachen

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Miteinander leben

Und zum Abschluss noch ein Gedanke, der exemplarisch zusammenfasst, wofür Räubersachen nach diesem Interview bei mir steht:

Wie sollten/könnten sich soziale Unternehmen gegen finanzstarke Unternehmen positionieren, damit ihnen die Zukunft gehört?

Ich möchte nicht im Gegeneinander denken. Ich glaube, dass alles nebeneinander existieren kann und auf lange Sicht einfach das an Bedeutung gewinnt, was wirklich Sinn macht und was wirklich benötigt wird.

Aus einem Interview, in dem es um Geld gehen sollte, wurde so viel mehr.

Ich nehme mehr als einen gedanklichen Anstoß mit:

  • neue Pfade zu gehen kann lohnen, auch in klassischen Bereichen wie der Unternehmensentwicklung
  • tatsächlich liegen die Schranken nur in unseren Köpfen
  • Geld ist nur bedrucktes Papier
  • ich muss gar nicht alles wissen, was passiert. Ich darf offen dafür sein, wie sich Neues entwickelt.
  • Fehler sind gar nicht schlimm.
  • mehr Miteinander → lässt sich das nicht auf alle Bereiche übertragen? Durch mehr Miteinander, mehr Wärme konsumiere ich automatisch weniger usw.

Liebe Lisa.

Ich danke dir herzlichst, dass du dir die Zeit genommen hast. Auf meine Mails zu reagieren, meine Fragen zu beantworten, mich zu inspirieren.

Anne

Fotos:

Alle Fotos wurden mir freundlicherweise von Räubersachen zur Verfügung gestellt.

Das erste Foto im Post stammt von Marcia Friese.

Kategorien: Interview

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